Diskussion um den §14a EnWG – Unnötige Panikmache oder begründete Bedenken?

„Schrittmacher der Mobilitätswende nicht ausbremsen“ – das ist der Titel unseres elexon-Positionspapiers zum §14a EnWG, in dem wir unsere Sicht auf die mögliche Auswirkungen der aktuellen Regelungen zur netzorientierten Steuerung von Ladepunkten für Elektrofahrzeuge auf die E-Mobilitäts-Branche erläutern.

Lesen Sie hier unser Positionspaper: elexon Policy Paper Energiewirtschaftsgesetz | PDF (377 kB)

Die Kernpunkte des §14a EnWG im Überblick: 

  • §14a EnWG ermächtigt die Bundesnetzagentur zur Festlegung bundeseinheitlicher Regelungen und Vorgaben für die netzorientierte Steuerung von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen und gibt die Rahmenbedingungen für diese Regelungen vor. 
  • In Umsetzung des §14a hat die Beschlusskammer 6 der BNetzA entsprechende Vorgaben getroffen (BK6-22-300). 
  • BK6-22-300 sieht unter anderem vor, dass die netzwirksame Leistung von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen mit mehr als 4,2 kW, die nach dem 01.01.2024 im Niederspannungsnetz in Betrieb genommen wurden, vom Netzbetreiber bei drohender Überlastung des Netzes als „ultima ratio“ gedrosselt werden darf bzw. muss. 
  • Direkt gesteuerte einzelne Verbrauchseinrichtungen bekommen eine garantierte Mindestleistung von 4,2 kW. 
  • Hängen mehrere Verbrauchseinrichtungen an einem Energiemanagementsystem, kommt ein Gleichzeitigkeitsfaktor zum Tragen. Die garantierte Mindestleistung für die Gesamtzahl n aller, am Energiemanagement angeschlossenen, Verbrauchseinrichtungen beträgt
    Pmin=4,2 kW+(n−1)×GZF×4,2 kW
    wobei ab n=9 der Gleichzeitigkeitsfaktor GZF gleich 0,45 ist. 

In unserem Positionspapier haben wir bereits Anfang dieses Jahres unter anderem aufgezeigt, dass der Gleichzeitigkeitsfaktor, der zur Berechnung der garantierten Mindestleistung für Verbrauchseinrichtungen an einem Energiemanagementsystem herangezogen wird, dazu führt, dass im Falle einer Dimmung auf Mindestleistung mehr als die Hälfte der Ladepunkte eines Flottenparkplatzes nicht mehr ausreichend versorgt werden kann. Im schlimmsten Fall führt dies dazu, dass dem Flottenbetreiber mehr als die Hälfte seiner Fahrzeuge nicht wie geplant zur Verfügung stehen, weil sie nicht ausreichend geladen wurden.

Netzbetreiber sind nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, netzorientiert zu steuern

Es mag stimmen, dass viele Netzbetreiber aufgrund des fehlenden technischen Ausbaus noch nicht in der Lage sind, eine netzorientierte, auf Echtzeitdaten zum Netzzustand basierende Steuerung auch tatsächlich durchzuführen. Außerdem mag man annehmen, dass Netzbetreiber von sich aus keine Motivation haben, eine Steuerung auch umzusetzen, weil sie in diesem Fall verpflichtet wären, für ihr Netz im betroffenen Bereich unverzüglich Maßnahmen zur Abhilfe zu prüfen. Dabei wird allerdings übersehen, dass Netzbetreiber durch den Beschluss der Bundesnetzagentur zu §14a bei akut drohender Überlastung nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet sind, netzorientiert zu steuern. Sollte dies für sie technisch noch nicht machbar sein, dürfen Netzbetreiber bis zum 31.12.2028 vorübergehend für zwei Stunden pro Tag präventiv steuern. Allerdings nur für maximal 24 Monate, d. h. sie müssen in diesem Fall innerhalb von 24 Monaten ab erstmaliger präventiver Steuerung für die Zukunft die Möglichkeiten zur netzorientierten Steuerung schaffen oder durch Ausbaumaßnahmen die Überlastung dauerhaft beseitigen. Es sollten also zeitnah, spätestens ab 2029, alle Netzbetreiber sowohl verpflichtet als auch befähigt sein, die netzorientierte Steuerung laut BNetzA-Beschluss umzusetzen.

Sind Netzengpässe wirklich so unwahrscheinlich?

Dem Argument, dass keine Probleme in den Niederspannungsnetzen erwartet werden, die Notwendigkeit zur netzorientierten Steuerung daher äußerst unwahrscheinlich ist und entsprechend selten auftreten dürfte, kann man folgendes entgegenhalten:

Laut Prognosen soll sich der Bruttostromverbrauch in Deutschland bis 2045 mehr als verdoppeln, insbesondere durch den vermehrten Ausbau mit Wärmepumpen und Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge (1). Auch erhöht sich durch den Einsatz von erneuerbaren Energiesystemen und Ladesäulen die Dynamik im Netz. Daraus ergibt sich ein großer Ausbaubedarf der Stromnetze in den nächsten Jahren, sowohl in den Nieder- und Mittelspannungsnetzen als auch in Hochspannungs- und Übertragungsnetzen (2)(3). Ein solcher umfassender Ausbau erfordert erhebliche Investitionen, Ressourcen und Zeit und kann daher nicht kurzfristig umgesetzt werden. Einzelne Verteilnetze sind bereits jetzt an ihrer Kapazitätsgrenze angekommen, wie beispielsweise das Verteilnetz der Stadtwerke Oranienburg (4). Sind Netzengpässe also wirklich so unwahrscheinlich?

Abbildung 1: Aus dem angegebenen Gleichzeitigkeitsfaktor (GZF) und der Anzahl der Ladepunkte n berechnete, im Schnitt pro Ladepunkt verfügbare Mindestleistung (Grün) und Anteil der durch ausgleichendes Lastmanagement nicht mehr betriebsfähigen Ladepunkte bezogen auf die Gesamtzahl (Gelb). Durchschnittswerte für Ladeparks ab 9 Ladepunkten sind in Rot dargestellt.
Abbildung 1: Aus dem angegebenen Gleichzeitigkeitsfaktor (GZF) und der Anzahl der Ladepunkte n berechnete, im Schnitt pro Ladepunkt verfügbare Mindestleistung (Grün) und Anteil der durch ausgleichendes Lastmanagement nicht mehr betriebsfähigen Ladepunkte bezogen auf die Gesamtzahl (Gelb). Durchschnittswerte für Ladeparks ab 9 Ladepunkten sind in Rot dargestellt.

Unabhängig davon, wie selten ein netzorientierter Steuervorgang ist, birgt allein die Möglichkeit, dass er zum Einsatz kommt, eine Unsicherheit, die für Flottenbetreiber eine besondere Relevanz hat. Wird die verfügbare netzwirksame Leistung am Anschlusspunkt auf die entsprechende Mindestleistung gedimmt, muss das Energiemanagementsystem 25% – 58% (je nach Anzahl und dadurch bedingten Gleichzeitigkeitsfaktor, siehe Abbildung 1) der Ladepunkte abschalten, um bei den restlichen Ladepunkten eine, für den erfolgreichen Ladevorgang notwendige, Mindestleistung von 4,2 kW gewährleisten zu können. Laufende Ladevorgänge werden bei den abgeschalteten Ladepunkten abgebrochen. Da aktuell die meisten E-Fahrzeuge noch nicht in der Lage sind, den Ladevorgang nach einem Abbruch automatisch neu zu starten, kann eine Dimmung zu einem Ausfall von mehr als der Hälfte der Fahrzeugflotte am betroffenen Standort führen. Und das obwohl aufgrund der Festlegung, dass die Steuerung nur für die begrenzte Dauer der akuten Überlastungsgefahr durchgeführt werden darf, eine Dimmung nur für eine kurze, begrenzte Zeitdauer zu erwarten ist.  

Vor einer Umrüstung auf Elektrofahrzeuge müssen sich Flottenbetreiber daher der Überlegung stellen, ob die Auswirkungen eines solchen Ausfalls für sie wirtschaftlich und organisatorisch handhabbar wären oder nicht, selbst wenn dies nur mit sehr niedriger Wahrscheinlichkeit eintritt. Der Bereitschaft, auf Elektromobilität umzusteigen, dürften solche Überlegungen auf jeden Fall nicht förderlich sein. 

Natürlich gilt der BNetzA-Beschluss zu §14a nur für Anschlüsse in der Niederspannung und betrifft daher keine Standorte, die über einen eigenen Mittelspannungstransformator verfügen. Allerdings ist nur für Standorte mit sehr vielen Ladepunkten oder Ladepunkten mit hoher Ladeleistung (DC-Schnellladepunkte) auch zwingend ein Mittelspannungsanschluss notwendig. Viele kleinere Gewerbestandorte, insbesondere solche, wo bisher nur Büroflächen vorhanden waren, haben jedoch noch keinen Mittelspannungsanschluss und brauchen für die dort geplante oder bereits umgesetzte Ladeleistung auch nicht zwingend einen. Gerade kleine und mittelständische Unternehmen vollziehen oft aufgrund von finanziellen Überlegungen die Umstellung auf Elektromobilität zunächst schrittweise durch Installation weniger AC-Ladepunkte mit 11 kW – 43 kW, für die kein Mittelspannungsanschluss notwendig ist. Dies entspricht auch unseren Erkenntnissen aus Planung, Installation und Integration von bisher ca. 30.000 Ladepunkten. Aus Planungsunterlagen und Netzanschlussverträgen unserer Kunden, zumeist aus dem Logistiksektor, lässt sich leicht ableiten, dass ein beträchtlicher Anteil der Standorte aktuell noch durch Niederspannungsanschlüsse versorgt wird. Diese Standorte zeitnah auf Mittelspannung umzustellen ist, besonders wegen der langen Warte- und Umsetzungszeiten, der finanziellen Investitionen und des dafür notwendigen Netzausbaus, utopisch und würde zudem Netzengpässe ggf. nur von der Nieder- in die Mittelspannung verschieben.  

Viele Gewerbetreibende mit kleineren Standorten in der Niederspannung dürften zudem noch Kunden im Standardlastprofil (SLP) sein. Ob der Betreiber der Ladesäulen Kunde im Standardlastprofil oder in der Registrierenden Leistungsmessung (RLM) ist, ist für die Anwendung von §14a und BK6-22-300 jedoch unerheblich. Diese Unterscheidung spielt nur eine Rolle für die, dem Kunden zur Verfügung stehenden, Optionen zur Netzentgeltreduzierung, nicht aber für die netzorientierte Steuerung an sich. Unterscheidungen nach Jahresanschlussleistung werden ebenfalls nicht getroffen. Im Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) werden Messstellen, deren Betreiber von §14a betroffen sind, gesondert betrachtet, unabhängig von ihrer Jahresanschlussleistung. 

Als mögliche Lösung kann man in Erwägung ziehen, die Auswirkungen einer netzorientierten Steuerung durch Installation von Pufferspeichersystemen zu glätten. Dies ist zwar ein funktionsfähiger Ansatz, aber wegen der höheren Investitionskosten und des zusätzlichen Platzbedarfs besonders für kleinere Gewerbebetriebe nicht realistisch. Für größere Flotten mit einer hohen Anzahl an Ladepunkten müsste ein Pufferspeicher entsprechend groß dimensioniert sein und würde auch mehr Platz beanspruchen und Zusatzkosten erzeugen. Auch die Idee, einfach mehr Ladepunkte zu installieren als tatsächlich benötigt werden, um im Zweifel auch bei Teilabschaltung noch die benötigte Anzahl funktionsfähiger Ladepunkte zu behalten, ist wegen der dafür notwendigen zusätzlichen Investitionen hinsichtlich der gesamten Ladeinfrastruktur (Ladepunkt, Tiefbau, Elektroinstallationen, etc.) keine praktikable Lösung.

Fazit & Forderung

All die hier genannten und in unserem Positionspapier beschriebenen Faktoren führen zu Unsicherheiten bei den Flottenbesitzern. Diesen kommt aber laut KfW (5) eine Schlüsselrolle für die Elektrifizierung des Straßenverkehrs und damit auch für die Energiewende und die Erreichung der Klimaziele zu. Das Momentum der letzten Jahre sollte daher besser genutzt und nicht ausgebremst werden. Aus diesem Grund möchten wir, obwohl wir die Gesetzesnovelle grundsätzlich begrüßen, noch einmal dazu aufrufen, die Regelungen in BK6-22-300 zu §14a zeitnah zu überarbeiten und eine Regelung zu treffen, die sowohl dem Klima als auch den betroffenen Unternehmen gerecht wird.

Sehr gerne stehen wir für einen Dialog zu diesem Thema zur Verfügung.

​​Literaturverzeichnis 

(​1) MDR. Netzbetreiber erwarten verdoppelten Strombedarf bis 2045. [Online] 24. März 2023. https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/wirtschaft/strom-erneuerbare-energie-netz-ausbau-100.html. 

​(2) Bundesnetzagentur. Netzausbau Strom, Bedarfsermittlung 2023 – 2037/2045 – Bestätigung Netzentwicklungsplan. März 2024. 

​(3) Matthias Kühnbach, Patrick Plötz, Annegret Stephan, Janis Kähler, Arne Surmann, Wolfgang Biener, Robert John. Potenziale von Stellplätzen an Wohn- und Nichtwohngebäuden zur Bereitstellung privater Ladeinfrastruktur. Fraunhofer ISE, Fraunhofer ISI. 2024. 

(​4) Stadt Oranienburg. Kapazitätsengpässe im Stromnetz der Stadtwerke Oranienburg. [Online] 11. April 2024. https://oranienburg.de/index.php?object=tx,2967.5&ModID=7&FID=2967.4454.1. 

​(5) KfW. Der Unternehmensfuhrpark – ein wichtiger Hebel für die Klimaneutralität. KfW Research Fokus Volkswirtschaft. 27. August 2023, Nr. 437.