von Marcus Scholz, CEO elexon GmbH
Der neue Standard für DC-Schnelllader, insbesondere für elektrische LKW, heißt MCS (Megawatt Charging System) und erlaubt Ladeleistungen bis 3,75 MW bei einer maximalen Spannung von 1250 V und einer maximalen Stromstärke von 3000 A. Damit soll das vollständige Laden des Akkus eines E-LKW innerhalb von 30 – 45 Minuten möglich sein. Zum jetzigen Zeitpunkt ist der Standard allerdings noch nicht fertig ausdefiniert.
Der Einfluss von MCS-Laden auf den TCO für E-LKW
Betrachtet man die Gesamtkosten (TCO) eines vollelektrischen LKW bei Capex und Opex, hat Megawattladen einen Einfluss auf beides. Elektrische Fahrzeuge sind in der Anschaffung kostenintensiver, haben aber geringere Wartungskosten als Dieselfahrzeuge. Ihre Betriebskosten sind daher wesentlich durch die Energiekosten bestimmt. Während bei Diesel-LKW die Energiekosten durch ausreichend Erfahrungen bekannt sind, sind sie bei E-LKW noch mit Fragezeichen versehen. Sie dürften jedoch stark vom jeweiligen Nutzungsverhalten bzw. vom jeweiligen Betriebsszenario abhängen. Hier muss man unterscheiden zwischen: Langstreckentransporten, die unterwegs während der vorgeschriebenen Fahrpausen und ggf. auch über Nacht an öffentlichen Ladesäulen laden müssen, Mittelstreckentransporten, die zwar ggf. ebenfalls unterwegs schnellladen müssen, aber über Nacht ins Depot zurückkehren und Transporten, die entweder über so kurze Strecken stattfinden, dass sie ausschließlich im eigenen Depot laden müssen oder die zwischen verschiedenen Depots pendeln und während der Standzeiten für den Warenumschlag dort privat laden können. Ein Schnellladevorgang am MCS-Lader wird voraussichtlich gegenüber dem Laden im heimischen Depot und sogar gegenüber dem Laden am öffentlichen CCS-Lader deutlich höhere Kosten verursachen, da die höheren Kosten für die MCS-Infrastruktur über einen erhöhten Ladepreis an den Nutzer weitergereicht werden.
Der Aufbau von MCS-Ladern mit 1 MW oder mehr erfordert signifikante Mehrinvestitionen. Da die Technologie auf dem Markt aktuell noch wenig verfügbar ist, kann bei der Kostenschätzung nicht auf langjährige Marktdaten zurückgegriffen werden. Eine Modellierung des Öko-Instituts nimmt als Capex 400.000 bis 800.000 Euro für Hardware, Planung, Genehmigung und Installation eines MCS-Ladepunkts an (1), wohingegen ein CCS-Ladepunkt mit 350 kW hier nur mit 125 bis 215 k € veranschlagt ist. Dabei ist der Aufbau der notwendigen Stromnetzinfrastruktur noch nicht berücksichtigt. Je nach Größe muss ein Ladepark mit MCS-Ladern über einen eigenen Mittel- oder sogar Hochspannungsanschluss verfügen (2) (1). Dies macht in den meisten Fällen eine Erweiterung des Netzanschlusses notwendig, was mit weiteren signifikanten Kosten und einer erheblich verlängerten Umsetzungsdauer verbunden ist. An einem öffentlichen Megawattlader sind daher nochmal deutlich höhere Kosten für den Ladevorgang zu erwarten als an einem HPC CCS-Lader oder beim Laden im eigenen Depot.
Der Ladevorgang an einem öffentlichen HPC-Lader kann hingegen mit längeren Standzeiten verbunden sein, die über die gesetzlich vorgeschriebene Fahrpause von 45 Minuten hinausgehen, was ebenfalls mit Mehrkosten verbunden sein kann.
Für einen Flottenbetreiber ist es deshalb essenziell, die zum Laden benötigte Standzeit (kürzer bei MCS) und die Kosten für den Ladevorgang (höher bei MCS) bei seiner Routen- und Tourenplanung sorgfältig gegeneinander abzuwägen. Im Projekt NEFTON wird berechnet, dass die durchschnittlichen Ladekosten 40 ct/kWh nicht überschreiten dürfen, damit ein E-LKW gegenüber einem Diesel-LKW einen TCO-Vorteil hat. Aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten wird ein Flottenbetreiber daher versuchen, das Laden an öffentlichen MCS-Ladern soweit wie möglich zu vermeiden.
Ob die Notwendigkeit zum Laden an einem öffentlichen MCS-Lader gegeben ist, ergibt sich aus einer Kombination von geplanter Fahrstrecke, Nutzlast und Akkugröße. Eine höhere Nutzlast erfordert einen größeren Akku, der mit höheren Investitionskosten für das Fahrzeug zu Buche schlägt. Erhöht man allerdings die Akkugrößer weiter, erhöht sich damit die Reichweite es LKW und es kann ggf. auf das Laden an öffentlichen Schnell- und Megawattladern gänzlich verzichtet werden, was wiederum mit einem Kostenvorteil in den Betriebskosten verbunden ist (3). Dieser Faktor dürfte zukünftig stärker ins Gewicht fallen, da davon auszugehen ist, dass die Investitionskosten für größere Akkusysteme in Zukunft sinken werden (4). Megawattladen wird aller Voraussicht nach deshalb primär für den Langstreckentransport relevant sein, wo auf das Laden unterwegs nicht verzichtet werden kann, weil auch die maximaler Akkugröße nicht ausreicht um die komplette Fahrstrecke abzudecken. Der Anteil der Langstreckentransporte, auf die das zutrifft, ist jedoch gering. Speth et al. (5) kommen beispielsweise zu dem Schluss, dass sogar das langsame Laden mit bis zu 44 kW im Depot für 63 % aller E-LKW ausreicht.
Das Laden im eigenen Depot ist mit niedrigeren Kosten pro geladener kWh verbunden und senkt daher die Betriebskosten, macht aber höhere initiale Investitionen in den Aufbau der entsprechenden Infrastruktur notwendig. Anzahl und Leistung der benötigten Ladepunkte hängt davon ab, wie viele Fahrzeuge gleichzeitig laden müssen und wie lange die Standzeiten jeweils sein dürfen. Für private Depot-Ladeparks, in denen die Fahrzeuge meist deutlich höhere Standzeiten haben als 45 Minuten und daher auch mit weniger Leistung (im besten Fall sogar mit 43 kW AC) ausreichend geladen werden können, dürften sich die Investitionen in private MCS-Lader nicht rechnen. Insbesondere auch, weil für diese Technologie wegen ihrer Neuheit noch keine Erfahrungswerte zur Lebensdauer vorliegen, die aber für die Abschreibung relevant ist (2).
Gesamtökonomische Betrachtung
Da eine flächendeckende, öffentliche Ladeinfrastruktur für schwere elektrische Nutzfahrzeuge bislang nicht existiert, stellt ein Wechsel gesamtökonomisch betrachtet eine große Herausforderung dar. Ein Bericht von Transport & Environment sagt voraus, dass die kumulativen Vorabinvestitionen für E-LKW-LIS in Europa in den Jahren 2020 bis 2030 zwischen 10 und 25 Mrd. € betragen könnten (6). Ein Großteil an Investitionen entfällt dabei auf Depot-Ladestandorte. Der Anteil der Investitionen durch den Aufbau öffentlicher E-LKW-Ladestandorte, der auf Deutschland entfällt, dürfte durch dessen zentrale Lage in Europa signifikant sein, da mehrere europäische Transitrouten über deutsche Autobahnen führen (3).
Die von Transport & Environment berechneten Kosten beinhalten noch nicht die Kosten für die Anbindung an das Stromnetz und den notwendigen Netzausbau. Eine Untersuchung zur Profitabilität bestehender PKW-Ladeinfrastruktur von Mortimer et al. (7) aus dem Jahr 2022 findet im Schnitt für alle Regionen in Deutschland, mit Ausnahme von Frankfurt am Main, eine negative Annuität, die auf eine Nutzung weit unterhalb der Kapazität zurückzuführen ist. Den größten Einfluss auf die ökonomische Effizienz von Ladeparks haben laut Mortimer at al. die Netzanschlusskosten, insbesondere dabei der Abstand zum nächsten Netzanschlusspunkt. Diese Erkenntnis ist besonders für den Aufbau von Ladestandorten mit MCS-Ladepunkten relevant, da wie bereits erwähnt solche Standorte durch die hohe Einzelladeleistung von Megawattladern besondere Anforderungen an den Netzanschluss haben.
Hohe Betriebskosten für Megawattlader sind oft auch das Resultat aus der Tarifgestaltung von Netzbetreibern, die auf die neuen Anforderungen durch Megawattladen nicht ausgelegt ist. Hier ist in Zukunft eine effizientere Gestaltung der Tarife notwendig.
Da das Laden mit Megawattladern nicht nur den Aufbau einer neuen Infrastruktur erfordert, sondern auch technische Weiter- und Neuentwicklungen von Ladesäulen- und Fahrzeugelektronik notwendig macht, muss zudem für die gesamte Branche ein noch unbekannter Aufwand für Forschung und Entwicklung berücksichtigt werden.
Hierzu auch mehr im Artikel: „MCS – Gamechanger im Schwerlastverkehr oder eine technische Sackgasse?“ von Vice President Technology & Operations Rebecca Heckmann
Auch die Implikationen der technischen Neuerungen von Megawattladen auf die Rohstoffbedarfe und Wertschöpfungsketten sind noch mit einem Fragezeichen versehen. Beispielsweise kann die schnellere Degradation von Lithium-Ionen-Akkus durch Megawattladen Einfluss auf die Wertschöpfungsketten für die Akkuproduktion haben und eine konsequentere Erschließung von Recyclingpotenzialen für Schlüsselrohstoffe notwendig machen, als bisher sowieso veranschlagt (8).
Insgesamt hat MCS großes Potenzial, die Energiewende im Transportsektor zu unterstützen, indem es die Elektrifizierung von Langstreckentransporten ermöglicht. Allerdings sind sowohl die Megawatttechnologie als auch deren zukünftige Nutzung und ihre ökonomischen Auswirkungen noch mit vielen Unwägbarkeiten verbunden. Daher sollte man, bevor man verfrüht in eine konkrete Planung zum Aufbau flächendeckender MCS-Infrastruktur geht, ggf. zunächst die Fertigstellung des Standards abwarten und weitere wissenschaftliche Studien und Untersuchungen anstrengen.
elexon Fazit
Die elexon elektrifiziert erfolgreich Flotten von Logistikern und Spediteuren in ganz Europa. Der Fokus liegt bislang auf dem Laden im Depot. Dass ein Großteil der Ladevorgänge im eigenen Depot stattfinden kann, ist relevant für die Gesamtwirtschaftlichkeit der Elektrifizierung des Fuhrparks. Wenn gleich am Anfang ein Invest in die Ladeinfrastruktur notwendig ist, sind die Ladekosten im Anschluss auf Dauer deutlich geringer, als wenn permanent an CCS und MCS-Ladepunkten öffentlich geladen werden muss. Im Depot kann zudem mit deutlich geringeren Leistungen geladen werden, der Invest ist also nicht so groß, als wenn MCS installiert werden würde. Damit Logistiker und Spediteure den Invest in die teureren e-LKW und die Ladeinfrastruktur in einem solch frühen Transformationsstadium bereit sind zu gehen, braucht es die richtigen Anreize. Das sind neben Steuervorteilen vor allem Zuschüsse für die Investitionen. Denn vor allem für Mittelständler kann der Umstieg ein hohes finanzielles Risiko darstellen. Hier braucht es klare Guidelines und Unterstützungsformate der Regierung. Dies ist unabdingbar, um die Transformation zum Elektroantrieb im Transportwesen erfolgreich zu gestalten.
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Literaturverzeichnis
- K. Göckeler, I. Steinbach, W. K. Görz, F. Hacker, R. Blanck, M. Mottschall. StratES – Szenarien für die Elektrifizierung des Straßengüterverkehrs. Öko-Institu e. V. 2023.
- K. Burges, S.Kippelt. Grid related challenges of high-power and megawatt charging stations for battery electric long-haul trucks. Study on behalf of Transport & Environment. 2021.
- Weiß, Andreas, et al. Elektrifizierung des Güterverkehrs – Technologien und Handlungsempfehlungen. Technische Universität München. 2024.
- Dennis Tol, Thomas Frateur, Maarten Verbeek, Iddo Riemersma, Hans Mulder. TNO Report R11862: Techno-economic uptake of zero-emission trucks in Europe. Transport & Environment, Agora. 2022.
- Speth, Daniel und Plötz, Patrick. Depot slow charging is sufficient for most electric trucks in Germany. Transportation Research Part D. 2024, Bd. 128, S. 104078.
- Suzan, Simon und Mathieu, Lucien. Unlocking electric trucking in the EU: recharging along highways. Transport & Environment. 2021.
- Mortimer, Benedict J., et al. Public Charging Infrastructure in Germany – A Utilization and Profitability Analysis. Journal of Modern Power Systems and Clean Energy. 2022, Bd. 10, 6.
- Dr. Buchert, Matthias, et al. Bedarf strategischer Rohstoffe für den Pkw- und Lkw Sektor in Deutschland bis 2040. Öko-Institut e. V. im Auftrag des Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. 2023.